Vernissage Marika Fünffinger und Matthias Göhr; Gruppe Wortschatz, am 13.08.21, Atelier im Alten Kelterhaus Hainfeld
Laudatio von Katrin Sommer (Autorin)
Liebe Anwesende,
Der Dialog zwischen bildender Kunst und Poesie: eine schöne Verbindung.
Zunächst möchte ich näher auf die Werke der Maler eingehen:
In dieser Ausstellung ist deutlich zu erkennen, dass beide Kunstschaffende sehr unterschiedlich arbeiten.
Matthias Göhr gestaltet erdig, man kann sich vorstellen, wie er in seinem Atelier in Landau die Pigmente vermengt, die Figuren fast modelliert und mit ganzem Körpereinsatz eines seiner intensiven Bilder erschafft. Wenn man das Ergebnis anschaut, spürt man in der Darstellung die Kraft der Entstehung.
Bei Marika ist es ein anmutiger Malvorgang. Licht durchflutet ihre eindrucksvollen Werke. Sie tanzt mit dem Pinsel ihre Bilder und man möchte mittanzen. Der Ausdruck der Exponate liegt in den Elementen Luft und Wasser. Ihre Malerei kann hier im Alten Kelterhaus, oder Plein Air vor Ort entstehen: wenn sie zum Beispiel in New York nachts um zwei Uhr am Times Square malt.
Bei aller Unterschiedlichkeit gibt es eine Gemeinsamkeit: Man erspürt in den Werken die jeweilige Person des Künstlers. Das macht die Einmaligkeit aus, die eben Kunst entstehen lässt. Ich spreche von dem Moment, bei dem Sie durch den individuellen Ausdruck berührt werden.
Zunächst möchte ich ihnen erzählen, was die Bilder von Marika Fünffinger mit mir anstellten. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich.
Dazu darf ich Ihnen verraten, dass ich Psychologin, Psychotherapeutin und Autorin bin. Ich lese in Marikas Bildern und erspüre dort genau die Eigenschaften, mit der ich sie kennenlernte: Großzügigkeit, Offenheit, Leichtigkeit und gleichzeitig Verlässlichkeit zeichnen die Werke aus.
Unser erster Blick auf ein Bild gerät in ein erfreutes Wiederkennen: Oh, das ist Havanna…schau mal Cádiz in Andalusien…, Venedig, immer wieder Venedig, die Bretagne, Quimper. Da war ich auch schon, denken wir. Dann die Heimat: Landau, Hainfeld, Burrweiler… Der Genuss des Erinnerns schöner Orte und Momente, die Freude am Wiedererkennen… Dann beginnt man zu stutzen: Was genau wirkt an dem bekannten Ort so anders …es lässt sich nicht sofort sagen: Die Gebäude sind detailgetreu wiedergeben, die Proportionen stimmen mit hohem Können…
Aber die Farben sind ganz anders als erwartet. Sie ziehen in den Bann, verwundert fühlt man sich versinken in der eigenwilligen Kolorierung des Bildes, entrückt dadurch ein wenig der Realität, ohne sie ganz zu verlassen. Wie ein Tagtraum etwa. Marika Fünffinger verfremdet ihre Werke auf eine einmalige und zugleich dezente Weise.
Und noch etwas gelingt der Künstlerin faszinierend:
Je intensiver man sich auf die Darstellung einlässt, desto mehr scheinen die Objekte beseelt. Die Häuser bewegen sich im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten zum Klang der Farben, neigen sich ein wenig nach rechts und treten ein wenig nach links. Bei aller Verlässlichkeit der Szenerie bemerkt man erst langsam, wie man in eine neue Sicht geführt wird.
Marika ist eine ehrliche Haut und sie malt auch so: Jeder Pinselstrich ist treffsicher. Das Ganze ist eine gut durchdachte, wohlgestaltete Komposition. Aber Achtung: Die Künstlerin lässt uns an ihrer eigenen Betrachtungsweise der Dinge teilhaben und gibt uns damit die Chance, die Welt mit ihren vielfältigen Möglichkeiten neu zu bewerten.
Der Blick wird weit.
Und wir begreifen etwas von der Seele der jeweiligen Kultur.
Das macht ihre Bilder so kostbar.
Nehmen wir Marrakesch Souk: Wir betrachten die Lebendigkeit des marokkanischen Marktes, und während wir noch meinen, die Abbildung erfasst zu haben, entwickelt das Ganze beim längeren Hinschauen eine eigene Dynamik: Der Boden scheint sich im Schattenspiel des Marktdaches zu bewegen und über diesen äußerst gekonnten Kunstgriff gibt die Künstlerin der Szenerie Deutungsspielraum und gleichzeitig eine neue Wahrhaftigkeit: Unsere Sehgewohntheiten werden ebenso angekratzt, wie unsere kulturellen Bewertungsmuster. Das ist schlau und gibt dem Bild die besondere Tiefe.
Oder nehmen wir das Bild Skandinavisches Boot:
Detailgetreu schaukelt es vor Ihrer aller Augen in der Bucht.
Es ruht in der Stille des Wassers, umgeben vom Schutz hoher Berge.
Was könnte das für ein harmloses Bild sein!
Aber dann lodern die majestätischen Berge im prunkvollen Lila und das Meer flammt karminrot auf. Berge und See scheinen sich ineinander aufzulösen und man ahnt in dem Bild etwas bewegteres, wilderes: das Erglühen der Gebirge in vulkanischen Zeiten, das Meer als Wiege allen Lebens, dem Ursprung der Welt.
Ach, werden Sie vielleicht jetzt denken, jetzt ist es mit der Psychologin da vorne durchgegangen, die übertreibt doch…aber vielleicht lassen Sie sich trotzdem mal auf den Gedanken ein…
Denn dann ist da auf dem Bild noch das kleine, klar und auch im Kleinsten erfasste Boot mit dem winzig wirkenden Menschen, der sich vor der Erhabenheit der Natur auf seiner Nussschale zu schaffen macht.
Die Winzigkeit des Menschen im Angesicht der großen Natur ist schön und hintergründig- und dabei sehr aktuell. Auf jeden Fall ist das alles ist bei weitem nicht so harmlos, wie wir vielleicht zunächst bei oberflächlicher Betrachtung vermutet hatten.
Und auch das spiegelt die Einzigartigkeit des Wesens von Marika Fünffinger?
Nun möchte ich mich noch den Bildern des Malers Matthias Göhr zuwenden.
Der sympathische Künstler verfügt über ein gefragtes Werk. Noch diesen Monat startet übrigens parallel eine Ausstellung in Magdeburg.
Bei unserem ersten Kontakt sagte er: „Sagen Sie bloß nichts über meine Techniken oder meinen künstlerischen Werdegang. Das langweilt die Menschen bloß. Notfalls können die Besucher mich ja selbst danach fragen, denn ich bin ja da. Schreiben Sie lieber eine Geschichte.“
Denn die Bilder von Matthias Göhr erzählen Geschichten. Nicht immer sind es bestimmte, von vornherein festgelegte Erzählungen, aber meist entstehen die Werke nach einem ungefähren Skript. Und dann entwickelt sich noch das Intuitive, das Schöpferische seines Malvorganges und die Handlung verselbstständigt sich sogar hin und wieder, soviel darf ich doch über den Entstehungsprozess verraten.
In den manchmal fast skulpturartig anmutenden Arrangements der Wesen stecken natürlich die ureigenen Ideen des Künstlers. Aber eigenartigerweise sind es auch unsere.
Nehmen wir mal die Radierung König Legov: Das Volk des Gekrönten schmiegt sich eng an ihn: Der kleine Vogel, nennen wir sie Karla, zwitschert etwas von Lebensfreude und Beschützen. Auf den stillen Fisch, Hugo könnte er heißen, ist Verlass. Der König hat eine kleine, aber getreue Gefolgschaft. Man ist nicht einsam, wenn man die Bilder von Matthias Göhr anschaut.
Ganz wie es eine treue Kundin des Künstlers formulierte: Ich möchte noch viele Bilder von ihm besitzen, denn ich möchte sie einfach um mich haben. Sie strahlen Liebe aus.
Und wie ich finde, sind sie Orte stiller Kontemplation, meditativ und spirituell und man hat den Eindruck, als würden die Wesen, die die Bilder bewohnen, ausharren in freudiger Erwartung auf ihren Besuch.
Immer wieder taucht da der beste Freund des Menschen in den Gemälden von Matthias Göhr auf. Den braucht man nicht, wie in einer Fabel, in eine Menschengestalt zu übersetzen. Der ist, wie er ist. Achtsam vorausblickend und ein wenig in der Luft Witterung aufnehmend nach dem, was da noch kommen mag. Der begleitet. Und wenn Sie sich ganz scharf konzentrieren, mal tief einatmen und vielleicht kurz die Augen schließen, wenn Sie wollen, dann spüren Sie das weiche Fell hinter seinen Ohren und seine Wärme.
Manche Gestalten seiner Gemälde bleiben schemenhaft. Sie entfernen sich aus dem Zentrum des Gewahrwerdens. Wachsame Blicke eher angedeuteter Figuren schauen milde auf uns oder besinnen sich auf einen imaginativen, fernen Punkt. Wir folgen der Blickrichtung oder nehmen Kontakt auf. Augen können Einblick in die Seele geben.
Matthias Göhr ist ein malender Philosoph, denn er weiß in seinem Werk auszudrücken, dass Alles in Allem ist und alles in einer Verbindung steht. Dass die Lebewesen im Leben auftauchen und wieder verschwinden. Dass es trotz aller Verluste gut ist, sie gehabt zu haben. Und dass es gut ist, sie noch zu haben oder auch noch kennenzulernen.
Als ich mich mit dem Künstler in seinem weitläufigem Atelier im Nordring in Landau darüber unterhalte, kramt er sein Handy hervor und zeigt mir einen Satz von Spinoza.
Eins Sein in Allem und in Allem-Eins-Sein-ist Dasein in Gott
Matthias Göhr malt diese Lebenseinstellung. Und er bietet ihnen einen Platz in seinen Bildern an. Seine Werke sind fernab von jedem Mainstream. Mit der Anregung, sich selbst einzulassen, sich behutsam dort einzufinden – mit diesem Gedanken komme ich langsam zum Ende meiner Ausführungen.
Vorher gebe ich Ihnen noch den Tipp, nochmal an einem anderen Tag der Ausstellung wiederzukommen, wenn Sie allein sind oder vielleicht zusammen mit Ihrem Lieblingsmenschen. Denn die teilweise recht leisen Stimmen der fabelhaften Gestalten könnten in dem Getümmel der Vernissage womöglich etwas untergehen. Es macht Spaß, seine Bilder zu entdecken und sich das ein oder andere zu sichern.
Ich wünsche Ihnen viele inspirierende Momente, sowohl mit den Werken der Bildenden Künstler, als auch bei den facettenreichen Gedichten von Autoren der Gruppe Wortschatz. Das sind heute Maria Gauss, Erika Gutt, Alessandro Stephan und ich, Katrin Sommer. Die Gruppe Wortschatz gehört zum Literarischen Verein der Pfalz.
Einen kleinen Einblick in unser Schaffen haben wir Ihnen mitgebracht und treten zum Teil in den Dialog mit den Werken der bildenden Künstler.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.